Eine Szene vom Wertstoffhof – oder: Übung in Geduld üben!
Einmal in der Woche fahre ich zum Wertstoffhof, denn „gelbe“ Säcke gibt es bei uns nicht. Seit Beginn der Pandemie werden nur noch 3 Leute gleichzeitig auf das Gelände gelassen, die anderen müssen vor dem beaufsichtigten Tor warten.
Als ich gestern zum Abgabestelle kam, hatte sich bereits eine lange Reihe von Wartenden gebildet, die in je 1,5 m Abstand mit ihren Kisten, Tüten und Pappkartons in der kleinen Sackgasse standen. Es herrschte eine ruhige Stimmung, die Leute genossen das schöne Wetter, unterhielten sich oder spielen auf dem Handy.
Die Zeit verging und ich hatte mich schon um viele Plätze nach vorne, Richtung Tor gearbeitet, als unvermittelt die Stimmung kippte.
Ein Rentner begann mit dem Torwächter über Sinn und Unsinn der Maßnahme zu debattieren, er war aufgebracht. Es ging hin – und her, der Torwächter versuchte noch klar zu machen, dass er diese Maßnahmen nicht erfunden habe, aber der Unmut war schon übergesprungen und schnell war eine großer Teil der Leute in Aufruhr.
Vor mir stand eine junge Frau. Ihr Blick schien in die Weite zu fließen, die zunehmende Hektik um sie schien an ihr abzuprallen und umso angespannter und lauter es um uns wurde, umso mehr schien sie in sich zu versinken. Unter ihrer Maske, da bin ich sicher, lächelte sie.
Ich ahnte, was sie tat.
Einer der Männer vor Ihr kannte sie wohl und er schien sich von ihrer Ruhe noch zusätzlich provoziert zu werden, denn er fauchte sie plötzlich an: „Und was sagst Du dazu? Oder hasch nix besseres zum do?“
Die junge Frau sah ihn an, und sagte sehr ruhig und freundlich:
„Das ist heute wahrscheinlich die ruhigste Zeit des ganzen Tages für mich. Gleich muss ich einkaufen, dann kochen, waschen, und in den Garten.
Ob ihr Euch nun aufregt oder nicht, geht es dafür schneller?
Es ist meine kleine Auszeit – und egal was ihr hier rumschreit – ich werde sie nutzen!“
Dann wandte sie den Blick wieder in die Weiten der Wiesen und Felder, die jenseits des Containerhofes liegen – und vermutlich lächelte sie unter ihrer Maske.
Und zumindest die, die sie gehört hatten, wurden ruhig und schienen nachzudenken.
‼️Dieses kleine Ereignis bietet Stoff, um über vieles nachzudenken:
Wie gehen wir mit unserer Lebenszeit um? Sind wir in der Lage, Akzeptanz zu üben?
Warum sind Menschen so anfällig, sich von einem Unruhestifter aufwiegeln zu lassen?
und
Was ist eigentlich Ungeduld? Was steckt dahinter und was kann man dagegen tun?
?Hier ein achtsamer Weg, eine kleine Übung und Erklärungen zum Thema Ungeduld:
✍️Die Übung:
Werde Dir Deiner Ungeduld bewusst, wenn sie im Laufe des Tages auftaucht. Achte auf Signale im Körper (Trommeln mit den Fingern, Wippen mit den Beinen, oder was auch immer) und das Geschwätz im Geist („Jetzt mach doch mal hinne!“), die Deine Ungeduld begleiten.
Frage Dich selbst: „Warum bin ich so in Eile? „Was möchte ich beschleunigen oder in Gang bringen?“
Lass Dich überraschen, welche Antworten auftauchen.
?Gedächtnisstütze:
Klebe in Deiner Umgebung Post-Ist an mit der Aufschrift: Ungeduld bemerken, insbesondere an Orten, an denen Ihrer Erfahrung nach, Ungeduld mit großer Wahrscheinlichkeit auftaucht.
?Erkenntnisse:
Ungeduld ist eine verbreitete Erfahrung in unserer modernen Welt. Wir werden ungeduldig, wenn der Verkehr sich verlangsamt, wenn die Ampel so lange auf Rot bleibt, wenn sich jemand verspätet, die Kinder die Hausaufgaben nicht fertig bekommen, oder man eben an einem Wertstoffhof warten muss, also immer dann, wenn wir warten und nichts tun müssen.
Die Körpersignale der Ungeduld sind bei jedem Menschen anders. Dazu gehören z.B. der beschleunigte Herzschlag, Trommeln mit den Fingern, das Trippeln von einem Fuß auf den anderen, eine Verengung in Bauch oder Magen, und anderes mehr.
Ich konnte als Beifahrerin beobachten, dass sich Menschen, wenn es sehr langsam vorwärts geht, mit dem Oberkörper ruckartig nach vorne lehnen, so. als könnten sie so die Geschwindigkeit steigern. Bei mir entdeckte ich, dass ich das Lenkrad „knete“, wenn es nicht schnell genug geht!
Der Geist signalisiert Ungeduld durch Nervosität, Nachlässigkeit, Reizbarkeit und eine bestimmte Art des inneren Dialogs, was dann auch manchmal laut ausgesprochen wird, wie z.B.: „Ich fass es nicht, wie lang das dauert!“, oder „Du Idiot, beweg Dich doch mal endlich!“, oder noch drastischere Ansagen.
Es kann sehr interessant sein, nachzuforschen, wo man die Ungeduld gelernt hat. Waren die Eltern ungeduldig? War der Lehrer langweilig, der Unterricht zu schnell oder zu langsam?
Ungeduldige Menschen haben auch die Tendenz, andere zu unterbrechen und geben dann manchmal sehr unpassende Antworten, weil sie die Frage noch gar nicht zu Ende gehört haben.
In der Ungeduld springt der Geist in die Zukunft und versucht, der Zeit seinen Willen aufzudrücken, d.h. er will die Zeit zwingen, schneller zu laufen. Gerade in der momentanen Krise kann man es deutlich erleben, wie ungeduldig manchen Menschen sind und sich andere dadurch unter Druck setzen lassen.
?Welche Vergeudung unseres wertvollsten Gutes, der Lebens-Zeit!
Wenn Menschen lernen, die frühen Anzeichen der Ungeduld zu erkennen und die Aufmerksamkeit auf einen anderen Aspekt des gegenwärtigen Augenblicks zu lenken, (Atmung, Geräusche im Raum, einen Baum in der Umgebung, oder was auch immer), dann zeigt sich, dass die Ungeduld verschwindet.